Der ungetreue Hirt

In der Vättner Alp Ladils war ein Küher. Eine Kuh begab sich alle Nacht an eine gefährliche Stelle,wo sie leicht hätte hinunterstürzen und zu Tode fallen können. Er war daher genötigt,an der Stelle zu wachen.Dessen sei er dann endlich müde geworden. Eines Abends habe er eine nasse Rindshaut genommen und sie an der betreffenden Stelle ausgebreitet.Die Kuh sei wieder gekommen.Als sie aber auf die nasse Haut getreten,sei sie ausgeglitscht,in den Abgrund gestürzt und zerschmettert worden. Seither müsse der Küher an dieser Stelle "geisten" und jede Nacht Wache halten,dass kein Vieh in dieses unsichere Revier komme.Die Hirten dürfen nun die ganze Nacht unbekümmert schlafen.

Die verfluchte Milch

Eines Abends beim  melken verschüttete der Küher einen ganzen Eimer voll Milch.Er stampfte vor Zorn und fluchte und schwor alle Zeichen.Auf einmal hörte er aus einer Ecke des Stalles laut aufseufzen. Er schaute nach,ob jemand da sei,aber es war nichts zu finden. Der Knecht berichtete es dem Senn.Der schüttelte den Kopf und sagte,er solle den nächsten Abend nochmals Milch ausschütten und dazu kräftig fluchen. Er selber wolle in jener Ecke des Stalles lugen und losen.Gesagt, getan. Und wieder hörten beide es sehr deutlich seufzen. Sag nur meiner Frau nichts,sprach der Senn zum Knecht,denn sie sagt so schon immer,es habe wilde Mannli da herum. Noch mehrmals ward das Seufzen vernommen worden.Aber man redete nicht weiter davon.Der Sommer war vorüber,das Senntum fuhr zu Tal.Wie die letzte Kuh über die Alpmark war,nahm nach altem Brauch der Senn den Hut ab,faltete die Hände und sprach laut und langsam den Segen: Walt Gott! Eben merkte der Knecht,dass er droben in der Hütte seine Uhr vergessen hatte,und er lief zurück,um sie zu holen. Wie er die Hüttentür aufstossen will,ist sie offen und drinnen schon eine ganze Schar wilde Mannli am Käsen.Sie machten alle finstere Mienen und schauten nicht auf.Einzig ein uraltes Muetterli schüttelte beide Fäuste gegen ihn und rief: Alle Milch,die ihr den Sommer über verschüttet,ist unser,aber nur die Milch,worüber kein Fluch gerufen ist.Die andere ist uns verloren.Die gute behalten wir auf,und wenn ihr fort seid,machen wir daraus unsere Käse.Die sind küstiger als eure und nehmen nie ab.Jeder Fluch von euch macht uns arm.Und jetz mach,dass du fortkommst,wenn du noch heimkommen willst. Der rohe Knecht,ein starker Mann,der auch den Teufel auf Stelzen nicht fürchtete,machte ein Gesicht wie eine Katze,wenn`s donnert.Aber da wuchs mit einem Schlag das Weiblein riesenhaft vor ihm empor - der Graus trieb ihm den Schopf steif wie Föhrennadeln am Wirbel auf,und es flirrte ihm vor den Augen,dass er nur noch Nebel sah.Und er liess seine Uhr,wo sie war,und rannte was er konnte bergab.Weiss wie Kalk im Gesicht und pflotchnass vor Schweiss holte er den Senn und die Herde ein.Seit dem Tag war der Knecht ein stiller Mann.Er hat nicht mehr lange gelebt.

Des "wilden Mannlis" Dankbarkeit

Auf der Feuscha,einem Berggute zuvorderst auf der wohl 500 Meter hohen Krachenwand,in deren Mitte sich eine unzugängliche,grose Höhle befindet,lebte vor Zeiten ein Familienpaar,das von den "wilden Mannli", welche in obgenannter Höhle wohnten,häufig besucht wurde.Die Wilden wussten zu ihrer Höhle einen geheimen Weg,Sie waren schwindelfrei; denn die Kinder bekamen in den ersten Jahren als Nahrung nur Gemsenmilch,welche das beste Mittel gegen Schwindel ist.

In einer stürmischen Herbstnacht wurde an der Haustüre geklopft. Ein "wildes Mannli" begehrte für seine Frau Hilfe,die ihm auch gewährt wurde. Auf einem gänzlich unbekannten Pfade gelangten sie nach kurzer Zeit in die Höhle.Mit Tagesanbruch verabschiedete sich die Frau und erhielt als Belohnung eine Schürze voll Kohlen,die sie unwillig annahm.Auf dem Wege warf sie das wertlose Geschenk weg;nur ein einziges Stück nahm sie mit.Jetzt hörte sie in der Ferne rufen:" Je mehr du verwirfst,je minder du hast!" Sie drehte sich um und sah das "Mannli",das den Zeigefinger erhoben hatte und ihr einen seltsamen Blick zuwarf.Als sie zu Hause angekommen war,hatte sich die vermeintliche Kohle in ein Goldstück verwandelt.Schnell machten sich beide auf,um den weggeworfenen Schatz zu suchen.Sie kamen aber zu spät; denn das "wilde Mannli" war ihnen zuvorgekommen und hatte die Kohlen aufgelesen und wieder in seine Höhle mitgenommen.Die beiden Gatten sahen den ehemaligen Gast noch oft  bei ihrem Hause vorbeigehen.Eingekehrt ist er dort niemals wieder.

Wie Sennen das Süsskäsen lernten

In alten Zeiten wussten die Sennen noch keinen süssen Käse zuzubereiten.Das verstanden nur die wilden Mannli,die Fänggen.Einmal war ein wildes Fänggenmannli gut Freund mit dem Senn,es half ihm das Vieh hüten,melken und käsen.Und der Senn teilte mit ihm,was er selber hatte.Eines Abens sagte der Senn,morgen müsse er mit der Butter ins Dorf hinunter gehen,und er bat das Mannli,es möchte doch für ihn das Vieh gaumen und käsen.Das gefiel dem Fänggen gar wohl,denn schon lange hätte er sich dem Senn gern dankbar erwiesen.Der Senn ging also ins Dorf,das Mannli machte sich ans Käsen.Wie erstaunte der Senn,als er abens heimgekehrt war und den Käse kostete,den das Fänggenmannli bereitet hatte.So süss und lind schmeckte der wie frische Butter und gelber war er als des Ei.Gar zu gerne hätte nun der Senn gewusst,wie man solchen Käse mache,aber der Fängg wollte ihm sein Geheimnis um nichts in der Welt verraten. Da dachte der Senn: Nun,gut Ding will Weile haben,List ist allemal besser als Gewalt.Und als nach ein paar Wochen der Fängg wieder in die Hütte trat,sagte der Mann: Du, jetz kann i denn au süass käsa. - Häst süassa Käs gmacht,so häsch au Maga gha, rief eifrig der Fängg.Nun hatte der Senn das Geheimnis ergründet.Er schlachtete Gibeli, die Geiss,nahm den Magen und tat ihn in die Milch als Lab so dass sie gerann,ohne mehr sauer zu werden.und fortan machte er den besten süssen Käse.Als aber das Fänggenmannli die List merkte,da ward es dem Sennen gram und ist nie mehr zu ihm gekommen.

Der Stoufelschlarpi auf Ladils

Auf Ladils wurde das "Molken" in einem eine kleine Strecke von der eigentlichen Alphütte entfernten Gemache untergebracht.Die Gegend heisst heute noch"Käsgaden".Der Senn hatte den Schlüssel zu demselben und legte ihn allabendlich an die gleiche Stelle in der Hütte.Nun kam es öfters vor,dass nachts jemand über den "Stoufel" in Holzschuhen "daher-schlarpete",in die Hütte kam,den Schlüssel zum"Käsgaden"nahm und sich in gleicher Weise wieder entfernte.Die Hirten bekreuzten sich und waren froh,dass ihnen kein Leid geschah.Nach einer Viertelstunde näherte sich das Gespenst in der gleichen Gangart wieder der Hütte und hing den Schlüssel an den bestimmten Ort. Ein frommer Klostermönch in Pfäfers hatte von diesem seltsamen Vorkommnis Kenntnis erhalten und beschloss,der Sache näher auf die Spur zu kommen.Ganz unverhofft begab er sich an Fronfasten nach Ladils, um dort zu übernachten.Der Klostermönch war früher Pfarrherr in Vättis gewesen und hatte die Schafe und Böcke genau kennen gelernt.Dem Sennen kam die Ankunft des frommen Mannes sehr ungelegen.Um Mitternacht hörte man das Gepolter des "Schlarpi"auf dem "Stoufel".Der Mönch stand auf,begab sich unter die Hüttentüre und stand dem Dieb gegenüber.Mit kräftiger Stimme rief er: "Wandle nach deinem Tode so lange auf dem "Stoufel",bis du die ganze Schuld bezahlt hast!"Der "Schlarpi"wollte nämlich in jenen Nächten im Einverständnisse mit dem Sennen mehrere Käse und verschiedene Butterballen aus dem "Käsgaden" entwenden.Der Mönch hatte seinen Fluch gesprochen und der Himmel ihn gehört.Kaum hatte der Dieb den Mönch erblickt,so sprang er,so schnell ihn seine Füsse tragen konnten,den steilen Weg nach Vättis hinunter. Er legte sich zu Bett,und in einigen Tagen wurde er als Leiche aus dem Hause getragen. Als ein Böser Geist spukt der "Schlarpi" noch auf Ladils; doch schadet er nicht,wenn die Sennen vor dem Schlafengehen den Alpsegen sprechen.

Kuhstapfen

Der Glaube an die Wirksamkeit des " Alpspruches " war bei vielen Leuten, sogar bei den Alpknechten von Ladils verschwunden.Gegen Neige des Sommers beschlossen sie an einem Abende,ihn zu unterlassen,und so geschah es auch. Als sie am nächsten Morgen zum Melken eintreiben wollten,gewahrten sie mit Entsetzen,dass keine einzige Kuh auf dem Säss vorhanden war. Sie begaben sich nach allen Seiten,um das verlorene Vieh zu suchen. Den steilen Weg gegen Vättis hin ging der "Küher", der den Alpspruch hätte sprechen sollen. Ihm entgegen kam eine Kuh aus dem Tale herauf und nach ihr eine zweite,dritte u.s.f. Die Meisten hatten Kornähren zwischen den Hufen. Nun wusste er,wo das Vieh übernacht gewesen war. Nachkommende Bauern meldeten auch,man habe ausserhalb Vättis,in den Kornäckern,Kuhstapfen gefunden.

Die Gegend heisst bis auf den heutigen Tag "Kuhstapfen"